Ist AI nur ein weiterer Hype wie Blockchain oder werden wir wirklich eine Veränderung im Alltag spüren? 2016 habe ich mich unheimlich für das Thema Blockchain, Bitcoin und Co. interessiert und reihenweise Bücher zu dem Thema gelesen. Gelernt habe ich viel darüber, was eigentlich Geld ist, welche Probleme man mit Kryptowährungen zu ändern versucht und wie viel Potential in der Dezentralisierung steckt.
Bis heute konnte Blockchain nicht liefern, was es einst versprach. Die Nachrichten sind voll von gescheiterten Krypto-Startups und Börsen, wegen derer viele Menschen ihr Geld verloren haben. Ich hoffe, dass die schwarzen Schafe nicht mehr weiter das Bild von Blockchain, Krypto und Co. dominieren und sich doch noch ein spürbarer Mehrwert einstellt.
Wird das mit AI genauso? Ein großes Hype-Thema und nichts dahinter? Das denke ich nicht. Als ich Anfang 2017 für mich entschieden habe, dass Blockchain nicht viel ändern wird, entdeckte ich ein neues Thema, das mich fasziniert: Big Data und Deep Learning aka AI. Damals waren die noch vorherrschenden “Wunder” die Möglichkeit Objekte, Tiere und Gesichter richtig zu identifizieren oder einfach aus einer riesigen Menge Daten Vorhersagen zu treffen.
Viele Weiterentwicklungen später führt uns dies heute zur Erstellung von Texten und Bildern, die kaum noch von den Werken von Menschen zu unterscheiden sind. Der große Unterschied zu Blockchain ist, dass AI bereits tief in vielen großen Anwendungen integriert ist. Doch diese Funktionen halten wir mittlerweile für normal, seien es die Vorschläge für ähnliche Jacken beim Einkaufen oder die Suchergebnisse bei Google.
Mit den starken Large Language Models (LLM) wie GPT-4 hinter ChatGPT oder der Open Source Lösung Llama 2 von Meta öffnen sich nun neue Anwendungsfelder und es stellt sich die Frage, ob und wie diese Anwendungen einen Einfluss auf unsere Arbeit nehmen werden.
Vom Chatbot zum Assistenten
Die einfachste und bekannteste Anwendung, um das Können von Large Language Models (LLMS) zu nutzen, sind AI-Chatbots wie ChatGPT oder Google Bard. Viele von uns haben diese bereits genutzt und kennen das einfache Prinzip: ein Befehl, eine Antwort. Wenn man weiß wie Prompten funktioniert, dann erhält man einen guten Text oder eine Anweisung zum Copy-Pasten. Das ist hilfreich, aber bisher nur in begrenztem Rahmen nutzbar.
Was wäre aber, wenn der AI-Chatbot nicht nur einen Text erzeugt, sondern weitere Schritte gleich selbst übernimmt? Was wäre, wenn er hierbei noch Zugriff auf aktuelle Daten und alle wichtigen Voraussetzungen hat sowie unsere eigenen Präferenzen kennen würde? Dann hätten wir nicht nur einen simplen AI-Chatbot, sondern einen persönlichen Assistenten, der Aufgaben für uns ausführt statt nur Anleitungen und Texte zu präsentieren, eben einen AI-Agent oder auch Autonomous Agent.
Hier liegt das wahre Potential von LLMs. Nicht die direkte Nutzung über AI-Chatbots wird etwas ändern, sondern die Integration von LLM in andere Software, um Texte verarbeiten und verstehen zu können.
Was ist ein AI-Agent und wie funktioniert dieser?
Ein AI-Agent ist eine Software, welche KI bzw. LLMs wie ein Werkzeug nutzt, um menschliche Sprache verstehen und verarbeiten zu können, mit dem Ziel Aufgaben zu erfüllen. AI-Agents haben einen direkten Zugriff auf unsere Daten, kennen unsere Gewohnheiten und lernen beständig weiter, um die an sie gestellten Aufgaben immer besser lösen zu können. Die AI wird hier zum Motor einer Software, die uns frei nach Pareto die ersten 80 % unser heutigen einfachen Arbeit abnehmen kann, damit wir uns auf die komplexeren 20 % konzentrieren können. Abhängig von der Aufgabe können diese prozentuellen Anteile natürlich schwanken.
Die Architektur von AI-Agents erinnert, wie auch die von AI, wohl nicht zufällig an das Gehirn bzw. unser Verständnis von Denken und Reflektieren. Wichtigstes Element ist dabei ein spezieller Speicher, der wie ein Gedächtnis (engl. “memory”) funktioniert. Er entwickelt zudem Pläne, welche für die nutzende Person in eine Vielzahl an kleineren Aufgaben und realistischen Zwischenschritten nachvollziehbar aufgeteilt und dann entsprechend ausgeführt wird.
All diese Ausführungen, die Ergebnisse und jegliches Feedback werden in dem Gedächtnis gespeichert, dass wie ein Langzeitgedächtnis funktioniert. Im Kurzzeitgedächtnis werden direkte Befehle behalten und später vergessen. Durch Wiederholungen und der Möglichkeit des “Reflektieren”, werden gewissen Erinnerungen stärker in den Fokus gesetzt als andere. Zur Umsetzung der Aufgaben greift der AI-Agent dann auf Tools und Datenbanken zurück, auf welche er mittels Schnittstellen oder Bot-Funktionen (er imitiert einen Menschen) zugreift.
Während ein Chatbot nur direkt eine Antwort auf die erste Frage geben kann, ist ein AI-Agent in der Lage mehrstufige Aufgaben selbstständig zu lösen. Das kann beispielsweise die Erstellung einer komplexen E-Mail sein, wofür der AI-Agent im Vorfeld eine Recherche anstellt, Daten aus der eigenen Datenbank zieht, den favorisierten Schreibstil des Nutzers nachahmt und alles in der entsprechenden E-Mail-App vorbereitet, so dass der Nutzer nur noch auf Absenden drücken muss. Die Beispiele für solche Tätigkeiten sind vielfältig.
AI-Agents in der Praxis
Aktuell arbeiten eine Menge etablierter Unternehmen und Start-ups daran, AI-Agents selbstständig oder innerhalb einer Software anbieten zu können. Es gibt eine Menge Beispiele, wobei in einigen Fällen der Mehrwert dieser Assistenten wohl allein im Marketing liegt. Ein paar interessante Anwendungen will ich jedoch nennen.
Microsoft bietet innerhalb seiner Officee365-Suite Co-Pilot an. Dieser unterstützt bei der Nutzung verschiedener Apps wie bspw. Word, Excel und PowerPoint. Man bekommt also Unterstützung bei der Nutzung der App oder man lässt sich gleich einen Text erstellen.
Eine bekannte Github-Anwendung zum selbst probieren ist Auto-GPT. Hier benötigt man jedoch ein wenig technische Ahnung, um es zum Laufen zu bringen sowie einen Zugang zu OpenAIs GPT (nicht ChatGPT).
Wer einen Agent mal ganz unverbindlich testen will, kann auf die gleichnamige Webseite gehen und das Konzept hier testen. Dort kann man einen Assistent selbst erstellen und sehen, wie dieser plant und immer wieder neu seinen Plan evaluiert.
Erwähnenswert, jedoch keine App, ist der Versuch einiger Wissenschaftler der Stanford University. Diese haben in einer Sims-ähnlichen Anwendung verschiedene AI-Agents frei miteinander interagieren lassen. Jeder dieser AI-Agents hatte eine Aufgabe und erfüllte diese selbstständig. Diese führte zu eigenen Interaktionen zwischen den AI und ließ Anzeichen von eigenständigen Lösungen und Gedanken erkennen. Das Paper hierzu findet man hier und wer sich selbst mal daran versuchen möchte, der findet seit Kurzem den Code direkt hier auf GitHub.
Wie wird ein AI-Agent unsere Arbeit verändern?
Wir schauen auf eine Zukunft, in der Software und die Nutzung von Computern sich für immer verändern werden. Mittels AI-Agents und LLMs werden wir weite Teile unserer einfachen Arbeit nur noch abnehmen und anpassen, anstatt sie von Null zu erschaffen.
Ein intelligenter Agent wird uns immer besser kennen und eine kleine Datenbank über unsere Präferenzen bei der Lösung von Aufgaben bilden sowie aus bereits vergangenen Aufgaben lernen. Er “weiß” wie wir unsere E-Mails schreiben, wie unsere Präsentationen aussehen sollten, in welcher Tiefe eine Recherche ablaufen sollte und viel weitere arbeitsrelevanten Aufgaben, die uns immer wieder begegnen.
Er wird menschliche Assistenten bis zu einem gewissen Grad ersetzen bzw. unterstützen können, wobei ich nicht denke, dass hierdurch Jobs wegfallen werden. Vielmehr wird Arbeit, die heute wegen Personalmangels meist wegrationalisiert wird, nun wieder ausgeführt werden können.
Die Berufe von Assistenten und anderen Personen werden sich dementsprechend ändern. So wie seit den 90er Jahren viele “analoge Anwendungen” wie Briefe, Kalender oder Taschenrechner in den Computer “gewandert” sind, wird auch AI neue Aufgaben übernehmen, die sonst “analog” Menschen übernommen hätten. Erneut wird sich die Arbeitswelt beschleunigen. Was bisher drei Tage gedauert hat, dauert dann nur 4 Stunden. Ob dies zu weniger Arbeit führen wird oder einfach nur zu noch mehr ist nicht klar. Vergleicht man es jedoch mit vergangenen Entwicklungen, ist die Arbeit doch immer nur mehr geworden.
Was passiert mit den Daten?
Die Verwendung eines AI-Agents wirft interessante rechtliche Fragen auf. Der AI-Agent verfügt über eine Menge personenbezogener Daten von mir, welche unter den Datenschutz fallen. Er arbeitet mit geheimen Unternehmensdaten und beeinflusst Entscheidungen oder trifft sie sogar selber, welche eine Haftung mit sich bringen können. Sollte der AI-Agent dann wie ein Angestellter behandelt werden oder weiterhin nur als Software gelten? Welche Befugnisse kann man einer solchen Software einräumen und wer haftet im Schadensfall?
Habe ich das Recht, die Daten zu meiner Person innerhalb des AI-Agents zu meinem neuen Job mitzunehmen oder müssen alle Daten gelöscht werden? Bestenfalls werden diese Fragen gleich bei dem Design der Software mitgedacht (privacy by design). Ich stelle mir bspw. vor, dass die personenbezogene Daten in einer eigenen Datenbank gesichert werden und von Anstellung zu Anstellung mitgenommen werden könnten. Ähnlich dem Recht auf Übertragung personenbezogener Daten gemäß Art. 20 DSGVO, nach dem ich meine Daten von einem Anbieter zu einem anderen mitnehmen können muss.
Das Revival des gesprochenen Wortes
Die letzte Konsequenz, welche ich sehe, ist das Wiedererstarken des gesprochenen Wortes. Wenn wir in ein paar Jahren den Moment erreichen, dass unsere schriftliche Kommunikation nur noch zwischen unseren AI-Bots stattfindet, wie sehr werden diese uns diese Worte noch interessieren?
Gleiches gilt für Audio- und Videoaufnahmen, hier werden wir ebenso Vertrauen verlieren, wenn wir wissen, wie einfach diese zu manipulieren sind. Das führt unweigerlich dazu, dass Kommunikation nur einen echten Mehrwert im persönlichen Austausch hat.
Die Weiterentwicklung der Technik, uns Menschen immer besser imitieren und verstehen zu können, wird selbe aus unserem Alltag verdrängen. AI-Bots werden weiterhin miteinander reden, verhandeln und Beziehungen führen, nur eben ohne uns.
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